il-paese-delle-meraviglieLeserbrief zu‚ Il paese delle meraviglie’ (.Das Land der Wunder’ Anm. Übers.)

Lieber Francis,

Was soll ich machen? Wie kann ich noch weiter Lust haben in dieser Welt zu leben, die du das Pdm nennst, nachdem ich dein Buch gelesen habe?

Ich fühle mich total unbehaglich und obwohl ich nicht ein ganz so großer Pessimist bin wie Orazio, muss ich zugeben, dass deine Beschreibung der Fakten wahr und dem Leben entsprechend ist, und dass man deine Interpretation zu diesem Thema teilen kann.

‚Il paese delle meraviglie’ hat mir gefallen und es hinterlässt mir einen bitteren Geschmack. Wirklich ohne Ausweg?  – mein Bruder lebt seit 1970 in Nottingham, er hat vor 20 Jahren Italien verlassen, ist verheiratet und hat 4 Kinder, sie sind Engländer. Nun, da er nur noch wenig arbeitet, kommt er 2/3 Mal im Jahr nach Italien, und jedes Mal mit einem Schwall von Kritik was unsere Lebensweise anbetrifft, unsere Beziehung zum Nächsten, die Bürokratie, die öffentlichen Einrichtungen. –

Und ich? Wem soll ich Recht geben ? Soll ich den Verteidiger meines geliebten Vaterland spielen?

Vielleicht haben auch die Anderen ihre schwachen Stellen, vielleicht hast du mehr als nötig den Finger auf die Wunde gelegt. Bleibt die Tatsache, dass unsere ‚civiltà’ im Vergleich zu den anderen ‚western’ sich durch eine Verhaltensweise nach der Art des ‚ser Ciapelletto’ auszeichnet (im Buch zitiert nach einem Bösewicht von Bocaccio, Anm. Übers.), die  uns nicht zur Ehre gereicht.

Adolfo Marconetto

Aus „Il Paese delle meraviglie“ („Das Land der Wunder“)

Nicht alles was im Land der Wunder geschieht ist schädlich

In diesem letzten Teil, Rossi, möchte ich dir erzählen, wenn auch nur kurz, auf welchen beschwerlichen Wegen ich dazu gekommen bin dich kennenzulernen. Ich weiß, ich habe dir schon andere Erklärungen gegeben, aber diese, glaube mir, war bestimmend. Du bist, und du wirst es nicht glauben, mein Glück! Ja, Rossi, es war ein wahres Glück, dich kennenzulernen. Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte, an jenem Abend vor der Schule, glaubst du, dass ich diesen Brief geschrieben hätte?

Nun gut, bevor ich anfing selbst meine Bücher an die zu verteilen die sie lesen wollten, habe ich versucht es über die Verlage zu machen, schließlich ist es ihre Aufgabe und ihr Geschäft. Diese jedoch, im Land der Wunder, veröffentlichen nur die Genien, diejenigen, die von ihrer Höhe herab Höfische Briefe schreiben, und da ich nicht zu dieser Kaste gehöre, haben sie auch nicht eine meiner Erzählungen publiziert. Und wieso hätten sie es auch tun sollen? Bin ich vielleicht ein Genius?

Als zweite Alternative habe ich mich an die literarischen Agenturen gewandt. Alle of course auf Bezahlung. Okay, habe ich mir gesagt, da nun mal die Dinge im Land der Wunder so sind, also sei es so.

Ich habe mir eine davon ausgesucht, nicht die billigste sondern die, die mir am folgerichtigsten erschien in ihrem Angebot. Ich schickte ihnen ein Manuskript.

Halleluja, es gefällt! Man sagt mir, dass es zur Veröffentlichung geeignet sei, dass man es gut verkaufen kann, dass es ein best-seller werden wird! Ich müsse mich jedoch an den Spesen für die Publizierung beteiligen.

Ich treffe mich also mit meinem Literaturagenten, einer Frau Dr. Smerdapane, die Musikwissenschaften studiert hat, von der Agentur Letteraria Europea Smerdapunto, die ihren Sitz in der Via Trapane in Borino hat.

Diese Frau Smerdapane gefällt mir sofort. Ihre Art zu reden ist sehr anziehend. Sie ist wirklich sehr faszinierend, launisch wie eine Grille, bewegt sie sich rasch, springt unvermittelt auf, fantastisch. Ich merke, dass sie gerne redet. Perfekt, mir gefällt es zuzuhören. Ich höre zu.

Sie werden in weniger als zwei Jahren das Geld wieder herausholen, das sie jetzt investieren, und dann wird für den ganzen Rest der reine Verdienst in ihre Taschen fließen.“, erklärt sie mir. „Denken Sie auch an ihren Ruhm. Man wird Sie in alle Sprachen übersetzen. Sie werden berühmt werden. Hollywood wird die Rechte aufkaufen und einen Film von ihrem wunderbaren Roman machen.“

Und welche Summe hätte ich zu zahlen … , frage ich schüchtern und tief beeindruckt.

Eine Nichtigkeit. Eine Zahl zwischen 1 und 5 und dann fügen sich 4 Nullen an, in Euro natürlich.“

So drückt sie sich aus.

Ich denke einen Augenblick über diese Zahl zwischen 1 und 5 mit vier Nullen nach und beschließe, dass in dieser Welt nichts umsonst ist und man manchmal auch etwas riskieren muss. Ich entscheide mich. Ich werde publizieren.

Es vergeht einige Zeit nach der Veröffentlichung meines ersten Romans mit dem Titel „Un fiasco annunciato“ (in etwa: ‚Ein angekündigtes Fiasko’ Anm. d. Übers.) jedoch von den Büchern ist kein einziges verkauft worden. Ein wirkliches und wahres Fiasko! Aber die Frau Dr. Smerdapane ist beharrlich und erklärt mir, dass wenn wir ein anderes Manuskript veröffentlichen würden der Verkauf in Gang käme.

Wir werden viele verkaufen!“, zischt sie und springt auf.

Sie ist mehr als überzeugend. Gegenüber eines solchen Vertrauens fühle ich mich entwaffnet. Und du verstehst schon, Rossi, sie ist so nett, so anziehend, so hübsch, fantastisch!

Wir veröffentlichen also ein anderes Buch, und dann noch eines und noch eines, aber von den Verkäufen, auch wenn die Titel der neuen Romane so in den Blick springen wie die Frau Dr. Smerdapane, sogar mit solchen rasanten Titeln wie zum Beispiel „Mein kleiner Spatz, ich hab dich lieb.“, von den Verkäufen ist keine Rede. Der Verleger ist erschüttert, so jedenfalls scheint es mir am Telefon. Es ist ihm nicht gelungen auch nur eine einzige Kopie zu verkaufen, sagt er mir. Vielleicht druckt er ja nur die wenigen Kopien, die er an mich abgibt, kommt mir in den Sinn. …

Fortsetzung folgt.